Dieser Blogbeitrag beleuchtet ein Urteil des Oberlandesgericht Hamburg aus dem Jahre 2020. Das Gericht überprüfte in der Sache den qualifizierten Rangrücktritt in einem (partiarischen) Darlehensvertrag anhand des AGB-rechtlichen Transparenzgebots. Der Kläger war Verbraucher. Das Urteil macht die komplexen Zusammenhänge zwischen Kapitaleinwerbung, dem Kapital- und Risikomanagement des Kapitaleinwerbers, Bankenaufsichtsrecht, Insolvenzrecht, dem Aufklärungsinteresse von Privatanlegern, Zivilrecht und Vertragsgestaltung deutlich.
Die Bedeutung des qualifizierten Rangrücktritts
Durch einen ordnungsgemäß formulierten und wirksam vereinbarten sog. qualifizierten Rangrücktritt („QRT“) werden die betreffenden Darlehensforderungen in der Insolvenz noch hinter den Forderungen aus Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzordnung) bedient. Darüber hinaus sperrt ein QRT schon in der Krise die Durchsetzbarkeit der Forderungen.
Ein QRT kommt in der Praxis hauptsächlich in drei Situationen vor:
- ein Gläubiger, insbesondere eine Bank, ist bereit, einem Schuldner normalrangige Kredite (§ 38 Insolvenzordnung) zur Verfügung zu stellen; dies aber nur, wenn vorher das Haftungskapital des Schuldners (durch ein Darlehen mit QRT oder anders) gestärkt wird;
- im Rahmen einer Transaktion mit Hilfe einer Zweckgesellschaft (special purpose vehicle) gewähren alle Gläubiger der Zweckgesellschaft einen QRT und vereinbaren im Wege einer Wasserfallabrede untereinander die Rangfolge; und/oder
- Darlehensnehmer und/oder Darlehensgeber, die keine Banklizenz innehaben und auch aus sonstigen Gründen nach Kreditwesengesetz („KWG“) keine normalrangigen Darlehen vereinbaren dürfen (sonst verbotenes Einlagen- bzw. Kreditgeschäft wegen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 und 2), vereinbaren einen QRT, weil zumindest eine Seite die bankenaufsichtsrechtliche Gefahr erkennt.
Die in den vorgenannten drei Situationen genannten Ziele werden aber nur erreicht, wenn Darlehensnehmer und Darlehensgeber den QRT rechtswirksam vereinbart haben.
Unwirksamkeit von AGB wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot
Nach § 307 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Gemäß dem sog. Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 11.03.2020 – 13 U 141/19
Mit Blick auf die Anforderungen des Transparenzgebots bei QRTs ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 11.03.2020 (Aktenzeichen 13 U 141/19, veröffentlicht u.a. in WM 2020, S. 1116-1118) von besonderer Relevanz.
In dem vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu entscheidenden Fall hatte ein Privatanleger einer Vermögensanlagegesellschaft ein partiarisches Darlehen gewährt. Die Darlehensforderung des Privatanlegers war gemäß dem von der Vermögensanlagegesellschaft gestellten Vertragstext aufgrund eines QRT nachrangig gestellt worden. Der Privatanleger – den offenbar Investment-Reue“ befallen hatte – verlangten mit der Klage die Rückzahlung des Darlehens.
Das OLG Hamburg entschied, dass der Darlehensvertrag wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam sei und der Darlehensvertrag daher zurückabgewickelt werden müsse.
Den Verstoß gegen das Transparenzgebot begründete das OLG u.a. wie folgt:
„Die Nachrangklausel genügt jedoch nicht den Anforderungen des Transparenzgebots gem. § 307 Abs.1 S.2 BGB und ist deshalb unwirksam. Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung – auch zu den Hauptleistungspflichten – nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. U.a. soll der Vertragspartner davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden. Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung. Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen. Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung. Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH, VI ZR 156/18, a.a.O, Rn. 22, 23 mit zahlreichen Nachweisen).
Diesen Anforderungen genügt die hier von der Beklagten verwendete „Qualifizierte Nachrangklausel“ nicht. Da die Beklagte ihre Vermögensanlage Privatanlegern angeboten hat, musste sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen so gestalten, dass auch juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildete Kunden sie ohne besondere Erläuterung verstehen können (BGH, VI ZR 156/18, a.a.O, Rn. 23).
Nach Auffassung des Senats werden dem juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildeten Anleger die rechtliche Tragweite der getroffenen Nachrangabrede und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile nicht in ausreichendem Maße verdeutlicht.
Zwar wird der Darlehensgeber bereits in der Präambel des Investmentvertrags darauf hingewiesen, dass er in Höhe seines Darlehens und der vereinbarten Zinsen das Insolvenzrisiko des Startups trägt. Auch wird – neben der qualifizierten Nachrangklausel in § 13 – der Begriff des „qualifiziert nachrangigen Darlehens“ im drittletzten Absatz der Präambel dahingehend erläutert, dass das Darlehen qualifiziert nachrangig sei, da sämtliche Ansprüche der Investoren so lange und so weit ausgeschlossen werden, wie sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführen würden, was verdeutlicht, dass der Rangrücktritt nicht nur in der Insolvenz, sondern bereits vorher in der Krise gilt.
Dass dem Darlehensgeber damit ein unternehmerisches Verlustrisiko auferlegt wird, das an sich nur das Eigenkapital trifft, ohne dass ihm zugleich die korrespondierenden Informations- und Mitwirkungsrechte eingeräumt würden, die es ihm ermöglichen, Einfluss auf die Realisierung dieses Risikos zu nehmen, insbesondere verlustbringende Geschäftstätigkeiten zu beenden, bevor das eingebrachte Kapital verbraucht ist, wird damit jedoch nicht hinreichend klargestellt. Mit einer solchen vertraglichen Gestaltung werden aus Sicht des Darlehensnehmers die Vorteile des Fremdkapitals (insbesondere keine Gewinn- und Vermögensbeteiligung, kein Einfluss auf die Unternehmensführung und keine sonstigen Mitwirkungs- und Informationsrechte) mit den Vorteilen des Eigenkapitals (Beteiligung am unternehmerischen Risiko, keine Insolvenzantragspflicht bei fehlender Möglichkeit der ohnehin verbotenen Rückzahlung) verknüpft. Für den Darlehensgeber bedeutet dies, dass das von ihm übernommene Risiko in gewisser Hinsicht sogar über das unternehmerische Risiko eines Gesellschafters hinausgehen könne. Während die Organe der GmbH oder der Aktiengesellschaft die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung einberufen müssen, wenn es zu einem Verlust des hälftigen Stamm- bzw. Grundkapitals gekommen ist (§ 49 Abs. 3 GmbHG, § 92 Abs. 1 AktG), und es sodann den Kapitalgebern überlassen ist zu entscheiden, ob sie die Geschäftstätigkeit gleichwohl fortsetzen und damit riskieren wollten, auch noch die zweite Hälfte des eingebrachten Kapitals aufzubrauchen, hat der Nachrangdarlehensgeber keine derartigen Informations- und Entscheidungsbefugnisse. (vgl. insoweit zu einem parallel gelagerten Fall: BGH, Urteil v. 1.10.2019, a.a.O., Rn. 26, 27 zudem Bitter, Wirksamkeit von Rangrücktritten und vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperren, ZIP 15, 345, 351, der bei qualifizierten Nachrangdarlehen insoweit die Inhaltskontrolle für eröffnet hält).
Hinzu kommt, dass sich der Klausel – auch im Zusammenspiel mit den Regelungen zum Kündigungsrecht des Investors gem. § 16 der Investmentverträge und zum Rückzahlungsanspruch gem. § 7 – nicht klar und verständlich entnehmen lässt, ob und unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine Rückzahlung auch außerhalb der Insolvenz oder drohender Insolvenz verlangt werden kann. Nach § 13 Nr. 2 der Verträge, – der sich offensichtlich auf den Zeitraum außerhalb einer drohenden oder bereits eingetretenen Insolvenz bezieht, da bei drohender oder bereits eingetretener Insolvenz gem. § 13 Nr.1 b) greift, wonach sämtliche Ansprüche der Investoren ausgeschlossen sind -, soll eine Erfüllung der Ansprüche der Investoren aus einem frei verfügbaren Jahres- oder Liquidationsüberschuss oder ansonsten frei verfügbarem Vermögen des Startups nur nach Befriedigung sämtlicher anderer Gläubiger der Gesellschaft möglich sein. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als dass ein Rückforderungsanspruch auch außerhalb drohender oder eingetretener Insolvenz praktisch ausgeschlossen ist, denn bei einer am Geschäftsleben teilnehmenden Gesellschaft wie der Beklagten ist kaum ein Fall vorstellbar, wo keine weiteren Gläubiger der Gesellschaft vorhanden sind. Auch auf dieses Risiko wird der Darlehensgeber nicht deutlich hingewiesen.
Ein weiterer Verstoß gegen das Transparenzgebot ist schließlich darin zu sehen, dass der Klausel die Tiefe des Rangrücktritts und die Erstreckung der vorinsolvenzlichen Rückzahlungssperre auf die Zinsen nicht klar und unmissverständlich zu entnehmen sind. Nach der Rechtsprechung des BGH ist in AGB gegenüber Verbrauchern eine qualifizierte Nachrangvereinbarung nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihr die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen klar und unmissverständlich hervorgeht. Dies erfordert, dass die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich erläutert werden, insbesondere die Klausel klarstellt, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht (BGH, Urteil vom 6.12.2018, IX ZR 143/17, juris, Rn. 36).
Soweit eine Zahlung unter dem Vorbehalt steht, dass „ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht entsteht“, sei damit einem durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher nicht hinreichend klar und deutlich, welche Sachverhalte diese Klausel erfassen solle. Insbesondere vermöge ein durchschnittlicher Verbraucher dies auch mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 17 bis 19 InsO nicht hinreichend klar und unzweifelhaft klären. Diese Vorschriften enthielten verschiedene sich im Einzelnen unterscheidende Insolvenzeröffnungsgründe. Allein der Eröffnungsgrund der Überschuldung (§ 19 Abs. 1 InsO) regele in § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO Nachrangverbindlichkeiten. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei nur dann ein Eröffnungsgrund, wenn der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantrage (§ 18 Abs. 1 InsO). Hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit als allgemeinem Eröffnungsgrund (§ 17 Abs. 1 InsO) komme es nach der gesetzlichen Formulierung auf einen Rangrücktritt nicht an. Auf dieser Grundlage sei mit dem nicht näher erläuterten Hinweis auf einen „Insolvenzeröffnungsgrund“ unklar, ob sämtliche Eröffnungsgründe gemeint seien, nur der allgemeine Eröffnungsgrund des § 17 Abs. 1 InsO, nur der des § 19 InsO, weil der Rangrücktritt diesen Eröffnungsgrund gerade beseitige, oder sogar eine drohende Überschuldung erfasst werden solle (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 41).
Dem genügt die hier streitgegenständliche Klausel nicht. Nach § 13 Nr.1 b) des Investmentvertrages sind sämtliche Ansprüche der Investoren so lange und so weit ausgeschlossen, wie „die Ansprüche einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würden oder sich das Startup in Insolvenz befindet“. Neben den bereits aufgeführten Unklarheiten ist für die Darlehensgeber damit nicht hinreichend klar und deutlich, welche Sachverhalte diese Klausel erfassen soll, weshalb sie gem. § 307 Abs.1 S.2 BGB unwirksam ist.“
Das OLG stütze den Rückgewähranspruch des Privatanlegers auf deliktische Schadensersatzansprüche, und zwar gemäß § 823 Abs.2, 89, 31 BGB in Verbindung mit § 32 KWG als Schutzgesetz.
Dazu führte das OLG u.a. aus:
„Ein Verschulden der Beklagten liegt vor, auch soweit sie das Vertragsformular, wie sie erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, von der Streitverkündeten übernommen hat. Der Geschäftsführer der Beklagten hat jedenfalls fahrlässig gehandelt, da er sich vor Abschluss der Verträge grundsätzlich über etwaige Erlaubniserfordernisse hätten unterrichten müssen (vgl. BGH, Urteil v. 21.4.05, III ZR 238/03, NJW 2005, 2703, 2704). Die Problematik der Wirksamkeit von Rangrücktritten und vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperren ist bereits bei Abschluss der Verträge umfangreich in Rechtsprechung und Literatur behandelt worden (vgl. nur Bafin Merkblatt; März 2014, NZG 2014, 379, 381, 382, Bitter, a.a.O).
Der Schaden des Klägers liegt in der Belastung mit den für ihn mit einem hohen Risiko behafteten Darlehensverträgen.
Der Verstoß gegen das Schutzgesetz war auch schadensursächlich, denn das Anlagengeschäft wäre nicht zustande gekommen, wenn die Beklagte § 32 Abs. 1 S. 1 BGB beachtet und von der Einwerbung der partiarischen Nachrangdarlehen ohne die erforderliche Erlaubnis abgesehen hätte.“
Fazit
Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg verdeutlicht, dass QRTe aus mindestens den folgenden Perspektiven beleuchtet werden müssen:
- Wirtschaftliche Perspektive (Kundenakquisition, Kapital- und Risikomanagement; Aufklärungsinteresse von Privatanlegern)
- Ordnungspolitische Perspektive (Bankenaufsichtsrecht)
- „Schlechtwetterrechtliche Perspektive“ (hier: Insolvenzrecht)
- Zivilrechtlich-vertragsgestalterische Perspektive
Vertragsgestalter und -verhandler müssen in dem durch die vorgenannten Perpsektiven bestimmten Bezugsrahmen kaufmännisch und juristisch sauber arbeiten.