Freiberufler-Netzwerke

von | 5. Jul 2024 | Allgemein

Lesezeit: 3 Min. | Aktualisiert am 5. Juli 2024

Dieser Beitrag befasst sich mit Freiberuflernetzwerken zur Berufsausübung unter „gemeinsamer Flagge“.

Solche Netzwerke bilden eine eigenständige Form der Berufsausübung neben Arbeitsverhältnissen und rein gesellschaftsrechtlichen Konstellationen, wie insbesondere Partnerschaften. Sie ermöglichen Freiberuflern die gemeinsame Nutzung und Pflege von Ressourcen (dazu zählen insbesondere Büroflächen, Zulassungen, Versicherungen, Markenrechte, Know-How, IT, Personal zum Support und für die Administration) unter weitgehender Achtung der freiberuflichen Idee.

Freiberuflernetzwerke sind eine Ausprägung der kollaborativen Wirtschaft (sharing economy).

Dem Autor sind Freiberuflernetzwerke unter anderem in den folgenden Berufszweigen begegnet:

  • Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Arztpraxen
  • PR- und Marketing-Strategieberatung
  • IT-Dienstleistungen
  • Sprachdienstleistungen wie Fachübersetzungen, Dolmetschertätigkeiten und Lokalisierungen
  • Executive Research
  • Hochspezialisierte Immobiliendienstleistungen
  • Ingenieurwesen und Architektur

Gemeinsam ist man stärker

Freiberufler leben im Wesentlichen von ihrem individuellen Wissen und Können. Da sie über Expertenwissen verfügen, ist ihre Berufstätigkeit – anders als viele andere Tätigkeiten – selten für die engmaschige Überwachung durch Vorgesetzte geeignet.

Insofern befinden sich Freiberufler grundsätzlich in einer privilegierten Situation. Sie gehören zu den Gewinnern der wissensbasierten Wirtschaft, dies insbesondere in den entwickelten Volkswirtschaften.

(Anders als in der Hochphase der westlichen Industrialisierung werden Produktionsprozesse tendenziell in Länder mit niedrigerem Lohnniveau ausgelagert, allerdings unter strenger Qualitätskontrolle.)

Allerdings führt die zunehmende Komplexität zielführender Problemlösungen dazu, dass ein einzelner Freiberufler alleine immer seltener wettbewerbsfähig ist. Dies liegt je nach Einzelfall daran, dass wirksame Problemlösungen die (interdisziplinäre) Zusammenarbeit von verschiedenen Berufsträgern erfordern. Darüber hinaus müssen, wie eingangs erwähnt, zunehmend verschiedene Ressourcen vorgehalten werden, die der Einzelne nicht allein aufbringen kann oder will.

Früher oder später gelangt fast jeder Freiberufler zu der Erkenntnis: Gemeinsam ist man stärker!

Angestelltenverhältnis

Ein Ausweg aus der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit des Einzelnen wäre der Schritt in ein Angestelltenverhältnis. Solche Verhältnisse erfordern jedoch, abhängig von der Unternehmenskultur und der Seniorität des betreffenden Berufsträgers, ein (vollkommen) anderes Mindset. Innovation, progressives oder visionäres Denken „outside the box“ und Eigeninitiative können im weisungsgebundenen Arbeitsverhältnis schnell als „abgedreht“, verspielt oder unkonventionell ausgelegt werden und deswegen auf Ablehnung stoßen. Talentierte und fortschrittliche Berufsträger, die sich beruflich verwirklichen wollen, kann das schnell in die Frustration treiben.

(Rein-) gesellschaftsrechtliche Gestaltungen

Ein zweiter Ausweg besteht in der Eingehung von (rein-) gesellschaftsrechtlichen Verbindungen, insbesondere von Partnerschaften. Diese ähneln Ehe- und Familienverhältnissen und können entweder aufgrund von Synergieeffekten und mentaler Nähe sehr gut funktionieren oder auch scheitern. In Problemsituationen sind die tieferen Ursachen häufig darin zu sehen, dass die Stärkeren die Schwächeren stützen und dass die Konstellation sozialstaatliche Elemente aufweist, was eigentlich nicht zur Grundidee des Gesellschaftsrechts gehört.

Netzwerke als Alternative

Netzwerke als dritter Ausweg aus der geringeren Wettbewerbsfähigkeit des Einzelnen vermeiden die Nachteile der Angestelltentätigkeit und der rein gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung. High-Performer können sich in Netzwerken, die nach dem Grundsatz des „eat what you kill“ funktionieren, selbstverwirklichen. Progressive Denker können ganze Märkte und Industriezweige revolutionieren. Ebenso kann sich ein Netzwerkmitglied dafür entscheiden, weniger zu arbeiten, ohne dass das Kollegium ihm mit Argwohn begegnet.


Rechtliche Ausgestaltung von Netzwerken

 Vereinfacht gesprochen sind Freiberuflernetzwerke de facto Vereine.

Nehmen wir einen Hockeyclub als Analogie:

Während ein Hockeyclub seinen Mitgliedern gegen eine Jahresmitgliedsgebühr Hockeyplätze, ein Clubhaus mit ansprechender gärtnerischer Gestaltung, ggf. für die Wintersaison eine Hockeyhalle sowie die Möglichkeit, sich einer Mannschaft anzuschließen, zur Verfügung stellt, bietet ein Freiberuflernetzwerk gegen eine jährliche Gebühr gemeinsam nutzbare Büroflächen, die notwendigen Zulassungen und Versicherungen, eine bekannte und regelmäßig gepflegte Marke, einen Knowhow-Pool, ggf. einen Mitarbeiterstab und die Möglichkeit, im (sich ergänzenden) Team zu arbeiten, an.

Juristisch kann ein Freiberufler-Netzwerk – es muss aber nicht – als Verein ausgestaltet werden.

In Frage kommen verschiedene schuldrechtliche, dingliche und gesellschaftsrechtliche Konstruktionen, sei es auf nationaler oder internationaler Ebene, die miteinander verknüpft werden müssen und insgesamt ein harmonisches und fehlerfreies Gesamtkonstrukt zu ergeben haben.

In der wissensbasierten Wirtschaft stehen insbesondere IP-rechtliche Gestaltungen im Fokus.

Bei Interesse

Interessenten können den Autor unter info@barbeodenbach.com kontaktieren.

Porträt Dr. Mark Odenbach

Autor: Dr Mark Odenbach

Dr. Mark Odenbach ist ein wirtschaftsrechtlicher Strukturierer, Vertragsgestalter und Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung. Er arbeitet mehrsprachig.

→ mehr erfahren   

 Aktualisiert am 5. Juli 2024

Über Situation Law

Situation Law ist ein Blog über Deal-Situationen und über die in solchen Situationen zielführende Denk- und Arbeitsweise. Zu den Schwerpunkten des Blogs gehören die Strukturierung, Gestaltung und Verhandlung von situationsgerechten Wirtschaftsverträgen.