Salvatorische Klauseln (Englisch: severence clauses) befinden sich unabhängig von der jeweiligen Rechtsordnung in fast jedem wirtschaftsrechtlichen Vertrag. Obwohl salvatorische Klauseln einen sehr hohen Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis des Vertrages haben können, werden sie als sog. boilerplates äußerst selten zum Gegenstand von Vertragsverhandlungen. Dies bedeutet, dass derjenige, der den ersten Entwurf der Klausel in die Verhandlungen einführt, mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht, dass die Klausel sich auch in der unterschriebenen Fassung des Vertrages unverändert wiederfinden wird.
Nachfolgend stellen wir eine Liste mit Fragen und Denkanregungen zur Verfügung, die bei deutschem Recht unterliegenden Verträgen im Einzelfall helfen können, die konkrete salvatorische Klausel sach- und situationsgerecht zu gestalten:
- Welchen Einfluss soll es auf die sonstigen Regelungen des Vertrages haben, wenn eine einzelne Bestimmung nichtig ist? Das Gesetz sieht in § 139 BGB für Fälle von Teilnichtigkeit vor, dass ohne entgegenstehenden Parteiwillen das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist. (§ 139 BGB lautet: Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.) Üblicherweise enthält eine salvatorische Klausel deswegen einen Satz 1 mit folgendem (oder ähnlichem Wortlaut): „Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise nichtig sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen von der Nichtigkeit unberührt.“ Man kann die Bedeutung dieses Satzes als Nichtigkeits-Nichtinfektionsregel bezeichnen. Er verhindert nämlich, dass der Rest des Vertrages von der nichtigen Bestimmung infiziert wird.
- Welchen Einfluss soll es auf die sonstigen Regelungen des Vertrages haben, wenn eine einzelne Bestimmung undurchführbar wird? Es kann beim Vollzug eines Vertrages zu Situationen kommen, in denen eine von den Parteien getroffene Regelung aus rechtlichen oder praktischen Gründen undurchführbar wird, z.B. wenn bei der Preisfindung eine von den Parteien vorgesehene Referenzgröße nicht verfügbar ist (Mietspiegel bei Wohnraummietverträgen; volkswirtschaftliche oder branchenspezifische Indizes). Mit Blick auf solche Fälle kann eine Erweiterung der Nichtigkeits-Nichtinfektionsregel sinnvoll sein. Typischerweise lautet der Satz 1 der salvatorischen Klausel dann: „Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise nichtig oder nicht durchführbar sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen von der Nichtigkeit oder Undurchführbarkeit unberührt.“ Eine solche Undurchführbarkeits-Nichtinfektionsregel stellt klar, dass z.B. ein Rücktritt vom gesamten Vertrag nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) nicht in Betracht kommt.
- Soll die nichtige oder nicht durchführbare Bestimmung bloß gestrichen oder soll sie ersetzt werden? Das hängt davon ab, wie wichtig die Klausel bei der Abwicklung des Vertrages ist. In der Regel entscheiden sich die Vertragsgestalter für die Ersetzungs-Variante. Wenn die Regelung als gestrichen gelten soll, greift die gesetzliche Regelung, notfalls in Form von Generalklauseln wie insbesondere § 242 BGB.
- Soll es zu einer automatischen Ersetzung kommen? Die meisten wirtschaftsrechtlichen Verträge sehen den Automatismus vor. Hierbei muss man sich im Klaren sein, dass die Nichtigkeit einer Bestimmung in der Regel von einem Gericht festgestellt wird und dass eine automatische Ersetzung bedeuten wird, dass die Vertragsparteien die Ersetzung endgültig in die Hände des Gerichts legen. Die Parteien können im Ernstfall nur noch über Schriftsätze auf die Gedanken des Richters Einfluss nehmen. Eine automatische Ersetzungsregel wird so oder ähnlich formuliert: „An Stelle der nichtigen Bestimmung oder undurchführbaren Bestimmung gilt diejenige wirksame und durchführbare Regelung als vereinbart, die rechtlich und wirtschaftlich dem am nächsten kommt, was die Parteien wollten oder gewollt hätten, wenn sie diesen Punkt bedacht hätten.“
- Die Alternative zur automatischen Ersetzung ist die Verpflichtung zum Abschluss einer Ersatzregelung. Dieser aus einer Mitwirkungspflicht (§ 242 BGB) resultierende „Kontrahierungszwang“ beinhaltet sachlogisch die Verpflichtung zur vorgeschalteten Verhandlung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben. Bei dieser Ersetzungsregelung delegieren die Parteien die Entscheidungshoheit weniger weitgehend an die Gerichte. Eine typische Klausel mit Abschlusspflicht lautet: „Im Falle der Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit einer Bestimmung werden die Vertragsparteien eine der unwirksamen oder undurchführbaren Regelung wirtschaftlich möglichst nahe kommende wirksame und durchführbare Ersatzregelung treffen.“
- Sollen auch Lücken im Vertrag gefüllt werden? Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung. Wichtige Fragen sind: Soll auf die lückenhaft geregelten wirtschaftlichen Fragen die gesetzliche Regelung (wenn es eine gibt) Anwendung finden (dann bedarf es keiner Regelung in der salvatorischen Klausel)? Oder soll für die lückenhaft geregelten wirtschaftlichen Fragen eine neue Klausel in den Vertrag eingefügt werden, die sich aus dem gemeinsamen Parteiwillen abzuleiten hat?
- Soll die Ersetzung oder Lückenfüllung rückwirkend oder nur für die Zukunft greifen? Zu beachten ist, dass Rückwirkung bei dinglichen Rechtsgeschäften nach deutschem Recht nicht möglich ist. Darüber hinaus ist bei Rückwirkung steuerliche Vorsicht geboten.
- Handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen? In diesem Falle würde das AGB-Recht als Sonderrecht Restriktionen beinhalten. Der wichtigste Gesichtspunkt des AGB-Rechts ist sicherlich das dort geltende Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Nichtige AGBs werden zwangsläufig durch die gesetzliche Regelung „ersetzt“. im AGB-Recht ist also die Variante der Streichung (siehe Punkt 3) zwingend.