Gelddarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt zwischen Nichtbanken: Kann die Stellung von banküblichen Sicherheiten mit Blick auf die Tatbestände des Einlagen- und Kreditgeschäfts schädlich sein?

von | 2. Jun 2022 | Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertragsgestaltung und -verhandlung, Zivil- und Wirtschaftsrecht, Zivilprozess-, Insolvenz- und Vollstreckungsrecht

Lesezeit: 3 Min. | Aktualisiert am 21. April 2023

Disclaimer

Die nachfolgenden Informationen sind – wie alle Informationen auf www.situationlaw.de – lediglich allgemeiner Natur. Die Informationen sind nicht als Finanzberatung, Rechts- oder Steuerberatung für konkrete Einzelfälle zu verstehen oder geeignet.

Personen, die an einer Einzelfallberatung interessiert sind, wird empfohlen, sich mit ihrem konkreten Anliegen an Finanzberater, Rechtsanwälte und steuerlichen Berater zu wenden.

Finanzberater, Rechtsanwälte oder steuerliche Berater sollten die hier vertretene Auffassung nicht unkritisch übernehmen. Stattdessen sollten sie sich um eine eigene Herleitung und um eigene Antworten bemühen.

Fragestellung

In manchen Rechtsordnungen ist es üblich, dass nicht von der Finanzdienstleistungsaufsicht regulierte und beaufsichtigte Unternehmen (also Unternehmen, welche über keine Erlaubnis der Finanzdienstleistungsaufsicht verfügen) geschäftsmäßig Darlehen (fortan: „Nichtbankendarlehen“) vergeben. In den betreffenden Ländern ist es genauso üblich, dass sich andere Personen über solche Nichtbankendarlehen finanzieren.

Anders in Deutschland:

In Deutschland läuft der Kreditnehmer bei seiner Finanzierung über Nichtbankendarlehen Gefahr, den bankenaufsichtsrechtlichen Tatbestand des Einlagengeschäfts zu erfüllen, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG.

Spiegelbildlich läuft der Kreditgeber Gefahr, den Tatbestand des Kreditgeschäfts zu erfüllen, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG.

Eine Tatbestandserfüllung würde nach deutschem Recht für den jeweiligen Akteur – angesichts seiner fehlenden Banklizenz o.ä. – bedeuten, dass der Akteur von dem Geschäft Abstand nehmen müsste, weil er anderenfalls ohne Erlaubnis ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft betreiben würde (§ 32 KWG).

Ein gängiger Weg, die Erfüllung besagter Tatbestände zu vermeiden, ist es, die betreffenden Darlehen mit einem qualifiziertem Rangrücktritt auszustatten.

Vor diesem Hintergrund wurde in letzter Zeit im deutschen Markt diskutiert, ob die Stellung von banküblichen Sicherheiten durch den Kreditnehmer an den Kreditgeber trotz eines qualifizierten Rangrücktritts zur Bejahung von Einlagen- bzw. Kreditgeschäft führen würde, m.a.W., ob bankübliche Sicherheiten bankenaufsichtsrechtlich schädlich wären.

Ziel dieses Beitrags ist es, die aufgeworfene Frage – nämlich nach der Schädlichkeit von banküblichen Sicherheiten für den Tatbestand des Einlagengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) und für den Tatbestand des Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) – zu beantworten.

Antwort: Die Stellung von banküblichen Sicherheiten ist im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 KWG unschädlich

Die Stellung von banküblichen Sicherheiten ist im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 KWG unschädlich.

Dies ergibt sich – nach der Überzeugung des Autors – aus den nachfolgenden Erwägungen:

Einlagengeschäft: Bankübliche Sicherheiten führen zu einer Bereichsausnahme

Aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG in Bundestagsdrucksache 15/3641, S. 36, ergibt sich ausdrücklich, dass banküblich besicherte Rückzahlungsansprüche nicht (!) zum Einlagengeschäft führen. Nach der Gesetzesbegründung handele es sich dabei um eine ungeschriebene – aus dem Gesetzeszweck folgende – Bereichsausnahme.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) bestätigt den vorgenannten Ausnahmecharakter in ihren Merkblatt zum Einlagengeschäft vom 11.03.2014, geändert am 20.08.2021, dort Gliederungspunkt III (überschrieben mit „Bestellung einer Sicherheit, die geeignet ist, den Tatbestand des Einlagengeschäfts auszuschließen“).

Nach der BaFin a.a.O. liegt eine bankübliche Sicherheit vor, wenn die Sicherheiten so bestellt sind, dass sich der Anleger im Sicherungsfall aus diesen Sicherheiten unmittelbar, d. h. ohne eine rechtsgeschäftliche Mitwirkung Dritter, befriedigen kann.

Kreditgeschäft: Stellung von Sicherheiten ist unerheblich

In ihrem Merkblatt zum Kreditgeschäft vom 08.01.2009, geändert am 02.05.2016, erklärt die BaFin unter dem Gliederungspunkt 1. und der Überschrift „Der Tatbestand des Kreditgeschäfts“ sehr deutlich, dass im Hinblick auf den Tatbestand des Kreditgeschäfts die Art und der Umfang der Besicherung ihrer Meinung nach unerheblich sei.

Damit dürfte grundsätzlich klar sein, dass bankübliche Sicherheiten mit Blick auf den Tatbestand des Kreditgeschäfts keine Rolle spielen.

Eine abweichende Beurteilung könnte sich ergeben, wenn der Darlehensgeber und Sicherheitennehmer in einer Krise des Darlehensnehmers die Sicherheiten verwerten dürfte, obwohl die Durchsetzung seiner Darlehensansprüche aufgrund des qualifizierten Rangrücktritts gesperrt wäre (Asymmetrie zwischen Hauptanspruch und Verwertungsrechten aus Sicherheiten).

Eine solche Asymmetrie ist jedoch kaum denkbar.

Bei akzessorischen Sicherheiten ist eine Asymmetrie schon rechtslogisch ausgeschlossen.

Bei nichtakzessorischen Sicherheiten kann es zwar bei oberflächlicher Betrachtung zu einer Asymmetrie kommen. So könnte der Darlehensnehmer dem qualifiziert nachrangigen Darlehensgeber eine erstrangige Grundschuld gewähren (theoretisch jedenfalls). Die Vollstreckung aus einer solchen asymmetrischen Sicherheit verstieße jedoch gegen die (ggf. konkludent abgeschlossene) Sicherungszweckerklärung. M.a.W.: Aufgrund der Durchsetzungssperre beim qualifiziert nachrangigen Darlehen würde der Sicherungsfall gar nicht eingetreten. (Auf Fälle von kollusivem Zusammenwirken zwischen den Parteien des Darlehensvertrags zum Nachteil von Vorranggläubigern soll hier nicht eingegangen werden.) Der Darlehensnehmer und Sicherheitengeber könnte sich unter den Voraussetzungen des § 767 ZPO gegen die Vollstreckung wehren. Darüber hinaus würde sich der abredewidrig vollstreckende Darlehensgeber und Sicherheitennehmer gegenüber dem Darlehensnehmer und Sicherheitengeber schadensersatzpflichtig machen.

Wenn der qualifiziert nachrangige Rangrücktritt als echter Vertrag zugunsten Dritter zu verstehen ist, könnte auch ein vorrangiger Gläubiger Rechte gegen einen abredewidrig vollstreckenden Nachrang-Darlehensgeber geltend machen.

Aus Sicht des Autors kann ein qualifiziert nachrangiger Gläubiger also selbst bei (auf den ersten Blick) asymmetrisch erscheinenden Sicherheiten-Paketen keine vorrangige Befriedigung erwirken – jedenfalls nicht in rechtmäßiger Weise. Hinweise darauf, dass die BaFin oder die Zivilgerichte eine andere Auffassung vertreten, sind dem Autor nicht bekannt.

Was die BaFin betrifft, spricht schon die weiter oben genannte Aussage aus dem BaFin-Merkblatt zum Kreditgeschäft gegen eine abweichende Auffassung: Sicherheiten sind laut BaFin mit Blick auf den Tatbestand des Kreditgeschäfts unerheblich!

Artikelbild: Scott Graham auf Unsplash

Porträt Dr. Mark Odenbach

Autor: Dr Mark Odenbach

Dr. Mark Odenbach ist ein wirtschaftsrechtlicher Strukturierer, Vertragsgestalter und Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung. Er arbeitet mehrsprachig.

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 Aktualisiert am 21. April 2023

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