Frühe Hinweise zu den Eckpunkten eines Vertrages erhöhen den Lesernutzen

von | 17. Jun 2021 | Vertragsgestaltung und -verhandlung

Lesezeit: 2 Min. | Aktualisiert am 31. Juli 2021

Die Gestaltung von Wirtschaftsverträgen ist eine Unterform des informierenden Schreibens: Der finale Vertragstext soll (ganz unterschiedliche) Leser in möglichst einfacher Sprache über den Vertragsinhalt in Kenntnis setzen.

Eine der Kernregeln des informierenden Schreibens lautet: Die wesentlichen Inhalte des Textes müssen möglichst weit oben übermittelt werden (Meta-Beschreibung). Je weiter hinten man in einem Vertrag liest, desto eher sollte man dort ergänzende Details vorfinden.

Bei einem wirtschaftsrechtlichen Vertragsdokument gehören Angaben zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Eckpunkten des betreffenden Rechtsgeschäfts (juristische und ökonomische Parameter) zur Meta-Beschreibung. Deswegen sollten diese Angaben an vorderer Stelle in dem Vertragsdokument genannt werden (vorgelagerte Parametrisierung).

Wie schon in der Übersicht zu diesem Blog ausgeführt, kann ein Vertragsdokument aus fünf verschiedenen Perspektiven relevant sein, und zwar aus der:

  • wirtschaftlichen Perspektive
  • ordnungspolitischen Perspektive (Legal Compliance: Strafrecht und öffentliches Recht)
  • bilanz- und steuerrechtlichen Perspektive
  • „schlechtwetterrechtlichen“ Perspektive (Zivilprozessrecht, Zwangsvollstreckungsrecht, Insolvenzrecht)
  • zivilrechtlich-vertragsgestalterischen Perspektive

Bei der Beurteilung aus den fünf Perspektiven kommt es u.a. darauf an, um welchen Deal und Vertrag es sich bei typisierender Betrachtungsweise handelt.

Ein Bankfachmann z.B. interessiert sich für die wirtschaftlichen Parameter des Deals. Er will sehr schnell erfahren, ob es sich bei dem in dem Vertrag geregelten Darlehen um ein Darlehen mit Einmalziehung handelt – oder um eine Kreditlinie (bei der der Darlehensnehmer mehrfach ziehen und zurückzahlen kann). Der Bankfachmann will darüber hinaus wissen, welches das maximale „Commitment

Ein Bankfachmann z.B. interessiert sich für die wirtschaftlichen Parameter des Deals. Er will sehr schnell erfahren, ob es sich bei dem in dem Vertrag geregelten Darlehen um ein Darlehen mit Einmalziehung handelt – oder um eine Kreditlinie (bei der der Darlehensnehmer mehrfach ziehen und zurückzahlen kann). Der Bankfachmann will darüber hinaus wissen, welches das maximale „Commitment“ der Bank ist, um welche Laufzeiten und Währungen es sich handeln wird und welche Art von Kreditsicherheiten gestellt werden.

Bankaufsichtsrechtler fokussieren sich auf die ordnungspolitischen bzw. regulatorischen Parameter des Darlehensvertrages. Wenn der Darlehensgeber keine Bank ist und wenn auch ansonsten kein nach §§ 1 ff. KWG privilegierender Tatbestand einschlägig ist, wollen insbesondere Mitarbeiter der Bankenaufsicht bei gewerblichen Darlehen wissen, ob es sich um ein „normales“ Darlehen handelt oder um ein „Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt“.

Insolvenzrechtler legen besonderes Augenmerk auf die insolvenzrechtliche Rangstellung.

Jemand, der das Vertragsdokument aus der zivilrechtlichen Perspektive liest, interessiert sich naturgemäß vorrangig für die zivilrechtlichen Parameter des in dem Vertrag verkörperten Rechtsgeschäftes, insbesondere für seinen Vertragstypus.

Der zivilrechtliche Vertragstypus löst die Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus, welche zwingend Anwendung finden oder abdingbar sind. Zu den zwingenden Regelungen gehören auch die Formvorschriften. Der zivilrechtlich geschulte Leser wendet sich früh der Frage zu, ob der vorliegende Vertrag tatsächlich in der gesetzlich gebotenen Form abgeschlossen worden ist – oder ob er aus formalen Gründen nichtig ist.

All diese Informationen zu den Parametern des Rechtsgeschäftes können (mit unterschiedlichem Detailgrad) dem Leser an fünf Stellen früh mitgeteilt werden:

  • im Titel des Dokuments, z.B. „35.000.000 € Darlehensvertrag
  • im Untertitel des Dokuments, z.B. durch die Formulierung „mit dem Recht zur einmaligen Ziehung bis zum [Datum] und einer Endfälligkeit am [Datum]
  • In der Vertragsschlussklausel (am Ende des Rubrums) kann man formulieren: „Die Parteien schließen den nachfolgenden Vertrag über ein Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt“.
  • in der Präambel z.B. kann man Auskunft darüber geben, dass und wie das Darlehen besichert wird und/oder
  • in einem frühen Paragraphen, der den Vertragsgegenstand regelt.

Ein durchdachter Paragraph zum Vertragsgegenstand ist sicherlich der Ort, an dem die meisten Kerninformationen zum Typus des Vertrages und zu seinen wesentlichen Eckpunkten kundgetan werden können. Dies schließt aber nicht aus, dass man diese Informationen auch an anderen frühen Stellen erwähnt.

Selbstverständlich gilt das Prinzip der falso demonstratio non nocet: Die Vertragstyp-Angabe muss mit dem von den Parteien (gemäß vollständiger und richtiger Vertragsauslegung) gewollten Vertragstyp übereinstimmen.

Porträt Dr. Mark Odenbach

Autor: Dr Mark Odenbach

Dr. Mark Odenbach ist ein wirtschaftsrechtlicher Strukturierer, Vertragsgestalter und Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung. Er arbeitet mehrsprachig.

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 Aktualisiert am 31. Juli 2021

Über Situation Law

Situation Law ist ein Blog über Deal-Situationen und über die in solchen Situationen zielführende Denk- und Arbeitsweise. Zu den Schwerpunkten des Blogs gehören die Strukturierung, Gestaltung und Verhandlung von situationsgerechten Wirtschaftsverträgen.