Lesezeit: 3 Min. | Aktualisiert am 28. November 2022

Dieser Beitrag befasst sich aus der Warte von Vertragsstrukturierern, -gestaltern und -verhandlern (fortan: die „Vertragsentwickler“) mit dem aus dem allgemeinen Projektmanagement bekannten Zielkonflikt zwischen Qualität, Zeit und Kosten.

Der Zielkonflikt

Wie bei jeder Art von Projektmanagement kommt es auch bei der Entwicklung von Verträgen zu einem Konflikt zwischen kurz- und langfristigen Zielen.

Kurzfristige Ziele

Kurzfristig gedacht wollen Vertragsentwickler den Deal zügig „in trockene Tücher bringen“ – also baldmöglichst einen Vertragsschluss erreichen. Außerdem wollen sie aus Gründen der Effizienz schnell arbeiten, um ihre zeitlichen und finanziellen Budgets (time is money) zu schonen.

Bei der Schonung der finanziellen Budgets spielen außerdem die folgenden Fragen regelmäßig eine Rolle: Bedarf es einer Due Diligence? Ist das Rechtsgeschäft beurkundungspflichtig? Müssen Wirtschaftsprüfer für die Erstellung von Sonderbilanzen etc. beauftragt werden? Wie komplex ist das Geschäft und wie viele Experten müssen beteiligt und bezahlt werden? Gibt es Marktstandards, nach denen man sich richten kann?

Langfristige Ziele

Im Bereich des langfristigen Denkens sorgen sich Vertragsentwickler um die Qualität des zu entwickelnden Vertrages.

Beide Seiten streben einen Vertrag an, mit dem sie im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung, Insolvenz des Vertragspartners und/oder im Wege der Einzelzwangsvollstreckung alle oder zumindest einen Großteil ihrer Ansprüche gerichtlich durchsetzen können (Angriffsszenario). Außerdem wollen sich beide Seiten mit Hilfe des Vertrages gegen eine übermäßige Inanspruchnahme durch den Vertragspartner und durch Dritte (!) verteidigen können (Verteidigungsszenario).

Hinweis: Mit der Gefahr, aus oder aufgrund eines Vertrages von Dritten in Anspruch genommen zu werden, werden wir uns in späteren Blogbeiträgen dezidiert auseinandersetzen.

Der Vertrag soll als juristische Angriffs- und Verteidigungswaffe seinen Dienst tun. Je effektiver er als legale Waffe wirkt, desto besser. Vor Gericht bemisst sich die Effektivität danach, wie schnell und einfach sich das Gericht durch die Vorlage des Vertrages überzeugen lässt.

Die Qualität eines Vertrages steigt darüber hinaus, wenn er rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden hilft, d.h. wenn beide Seiten aufgrund der Klarheit des Vertrages „keine zwei Meinungen“ zur Auslegung des Vertrages haben können.

Ein Vertrag ist außerdem von hoher Qualität, wenn er viele Win/Win-Elemente enthält. Aber Verträge müssen in der Regel auch Kompromisse enthalten. Verträge, bei denen nur eine Seite gewinnt und die andere verliert (win/lose), sind selten und häufig auch rechtlich unwirksam (Wucher etc.).

Im Idealfall ist ein Vertrag nicht nur eine juristische Angriffs- und Verteidigungswaffe mit klaren Formulierungen und mit viel Win-/Win und guten Kompromissen, sondern auch eine von beiden Seiten als nützlich angesehene „Gebrauchsanweisung“ für die gemeinsame Geschäfts- und Vertragsbeziehung.

Das magische Dreieck als Symbol für den Zielkonflikt

Letztendlich bewegt man sich bei der Strukturierung, Gestaltung und Verhandlung von Verträgen in einem aus dem Projektmanagement bekannten dreifachen Zielkonflikt zwischen Zeit, Kosten und Qualität.

Dieser Zielkonflikt wird einprägsam unter dem Oberbegriff des magischen Dreiecks erfasst und durch ein Dreieck symbolisiert:

Umgang mit dem Zielkonflikt

Mit entsprechender Erfahrung und Professionalität kann man häufig einen Ausgleich zwischen den drei Zielen finden, indem man:

  • laufend Fachliteratur, Urteilssammlungen, Vertrags- und Komponenten-Muster und Checklisten (fachliche Werkzeuge) pflegt und nutzt;
  • die einzelnen Arbeitsschritte des Deal-Makings in sachlogischer Abfolge durchläuft (Prozessmanagement);
  • zur Effizienzsteigerung auf elektronische Hilfsmittel bei der Texterstellung, Textkontrolle und Übermittlung von Dokumenten sowie bei der Verhandlung (text- und verhandlungsbezogene digitale Werkzeuge) zurückgreift; und
  • im Rahmen des Teambuildings und Personalmanagements wesentliche Arbeiten routinierten Strukturierern, Vertragsgestaltern und -verhandlern (Wissensträgern) anvertraut.

Situation Law als juristischer Blog beschäftigt sich insbesondere mit fachlichen Werkzeugen und mit Fragen des Prozessmanagements. Darüber hinaus werden die text- und verhandlungsbezogenen digitalen Werkzeuge aus Nutzersicht besprochen.

Schließlich stellen die Autoren des Blogs als Wissensträger ihre Erfahrungen in konkreten Deal-Situationen zur Verfügung.

Qualitative Ziele und Anwaltsrecht: Der „sicherste Weg“

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss jeder Rechtsanwalt seinem Mandanten den sichersten Weg zur Erreichung der wirtschaftlichen Sachziele des Mandanten aufzeigen und empfehlen.

Zur Beschleunigung der Vertragsentwicklung (Faktor Zeit) und zur Kontrolle der in der Regel zeitabhängigen Anwaltsgebühren (Faktor Kosten), ist es aus Mandantensicht sinnvoll, die wirtschaftlichen Sachziele nicht überambitioniert zu definieren.

Denn klar ist: Je bescheidener die wirtschaftlichen Sachziele des Mandanten, desto geringer das Haftungsrisiko des Anwalts und desto schneller ist sein Entwurf fertig.

Umgekehrt gilt: Je anspruchsvoller die Sachziele des Mandanten, desto höher das Haftungsrisiko des Anwalts und desto mehr Zeit benötigt er zur Erledigung.

Porträt Dr. Mark Odenbach

Autor: Dr Mark Odenbach

Dr. Mark Odenbach ist ein wirtschaftsrechtlicher Strukturierer, Vertragsgestalter und Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung. Er arbeitet mehrsprachig.

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 Aktualisiert am 28. November 2022

Über Situation Law

Situation Law ist ein Blog über Deal-Situationen und über die in solchen Situationen zielführende Denk- und Arbeitsweise. Zu den Schwerpunkten des Blogs gehören die Strukturierung, Gestaltung und Verhandlung von situationsgerechten Wirtschaftsverträgen.