Objektive Kriterien für die Großartigkeit einer Stadt

von | 5. Sep 2024 | Betriebswirtschaft und Management, Immobilienrecht

Lesezeit: 4 Min. | Aktualisiert am 5. September 2024

Was macht eine Stadt lebenswert und somit attraktiv für Immobilieninvestitionen?

Die Lebensqualität entscheidet über die Zukunft von Städten.
Dies war die einhellige Meinung auf dem Briefing „Creating & Investing in Sustainable, Livable Cities“ der EXPO REAL 2023 in München.
Nach Meinung der Fachleute zieht eine hohe Lebensqualität junge Menschen an, die für Innovationskraft und Wirtschaftswachstum sorgen. Ein großes Reservoir an jungen Professionals erhöht die Fähigkeiten und Chancen von vor Ort ansässigen Unternehmen.
Eine Stadt mit wirtschaftlich guten Zukunftsaussichten ist grundsätzlich ein guter Ort für Immobilieninvestments. Je besser die langfristigen Zukunftsaussichten, desto höher kann der Vervielfältiger sein, der bei der Kaufpreisfindung zum Tragen kommt.
All diese Gesichtspunkte führen zu der Frage, woran Investoren eine lebenswerte – idealerweise sogar hochgradig lebenswerte – Stadt erkennen können.
Dieser Beitrag geht dieser Frage nach und beantwortet sie.

Einleitung

Wir alle möchten an einem Ort leben, der Sicherheit sowie eine Fülle von Lebens-Chancen bietet. Bei unseren Bewertungen schauen wir auch darauf, welche Freizeit- und Unterhaltungsmöglichkeiten der Ort bietet.
Wenn wir näher konkretisieren, welche Eigenschaften eine Stadt bieten sollte, sind zunächst unsere individuellen und subjektiven Faktoren maßgebend. Auch Städte sind in vielerlei Hinsicht eine Geschmacksfrage.
Wahr ist jedoch auch, dass manche Städte auf viele Menschen eine Magnetwirkung ausüben und Jahr für Jahr ein Nettomigrations-Plus produzieren und ihr Durchschnittsalter stabil halten, während andere Städte unter einem Nettomigrations-Minus, Überalterung und „Brain Drain“ leiden.
Es muss also objektive Kriterien geben, die eine Stadt in der Breite lebenswert und damit attraktiv machen. Es muss objektive Kriterien für die Großartigkeit einer Stadt geben.
Wer sich auf die Suche nach diesen objektiven Kriterien macht, wird hier fündig.
(Die Quellen finden sich am Ende dieses Beitrags.)

Abstract

Die Lebensqualität einer Stadt hängt von einem Zusammenspiel bestimmter Faktoren ab, die physische, soziale, wirtschaftliche und umweltbezogene Aspekte umfassen. Eine Stadt, die in diesen Bereichen gut abschneidet, bietet ihren Bewohnern eine hohe Lebensqualität und wird als besonders attraktiv wahrgenommen.

Die wichtigsten zwölf Kriterien

Die wichtigsten zwölf Kriterien, deren Erfüllung eine Stadt objektiv lebenswert macht, sind:

  1. Sicherheit: Eine sichere Stadt mit niedriger Kriminalitätsrate und einem Gefühl der Geborgenheit trägt wesentlich zur Lebensqualität bei. Dies umfasst nicht nur die physische Sicherheit, sondern auch den Schutz vor Umweltgefahren und Verkehrsrisiken.
  2. Klima und Schutz in Innenräumen: Das Klima einer Stadt hat einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität. Ein angenehmes Klima mit milden Temperaturen und ausreichender Sonneneinstrahlung kann das Wohlbefinden fördern und die Möglichkeiten für Outdoor-Aktivitäten erweitern. Andererseits können extreme Wetterbedingungen, wie sehr heiße Sommer oder kalte Winter, die Lebensqualität beeinträchtigen. Städte mit gemäßigtem Klima werden oft als besonders lebenswert wahrgenommen. Auf der Immobilienebene relevant ist auch die Qualität der Innenraumklimatisierung und -belüftung, also wie gut Gebäude gegen Hitze oder Kälte isoliert sind und welche Heiz-, Kühl- und Belüftungssysteme zur Verfügung stehen. In Städten mit extremen Wetterbedingungen ist die Fähigkeit, Wohn- und Arbeitsräume angenehm zu temperieren, ein wichtiger Faktor für den Komfort und die Gesundheit der Bewohner. Eine schlechte Innenraumklimatisierung kann zu gesundheitlichen Problemen führen und das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Eine schlechte Innenraumbelüftung verursacht in vielen Fällen akute und chronische Krankheiten.
  3. Erschwinglicher Wohnraum: Zugang zu erschwinglichem und qualitativ hochwertigem Wohnraum ist ein zentraler Faktor für die Lebensqualität. Dies bedeutet, dass die Miet- und Immobilienpreise im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der Einwohner bezahlbar sein sollten.
  4. Gesundheit und Umwelt: Eine saubere Umwelt, geringe Luftverschmutzung, Zugang zu Gesundheitsdiensten, gesundem Trinkwasser und Grünflächen wie Parks und Erholungsgebieten tragen wesentlich zur physischen und psychischen Gesundheit der Bewohner bei.
  5. Bildungs- und Berufsmöglichkeiten: Eine lebenswerte Stadt bietet hochwertige Bildungsinstitutionen sowie vielfältige Arbeits- und Karrieremöglichkeiten. Dies fördert nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern auch den wirtschaftlichen Fortschritt der Stadt.
  6. Öffentlicher Nahverkehr und Infrastruktur: Eine effiziente und gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, einschließlich eines zuverlässigen öffentlichen Nahverkehrssystems, erleichtert die Mobilität innerhalb der Stadt. Dies reduziert Pendelzeiten, entlastet den Verkehr und verbessert den Zugang zu verschiedenen Stadtteilen.
  7. Kulturelles Angebot und Freizeitmöglichkeiten: Ein reiches kulturelles Leben mit Museen, Theatern, Kinos, Konzerten, Gastronomie, Sporteinrichtungen und anderen Freizeitangeboten trägt zur Attraktivität einer Stadt bei. Zudem fördern Veranstaltungen und Festivals das Gemeinschaftsgefühl und die Lebensfreude.
  8. Soziale Inklusion und Gemeinschaft: Eine lebenswerte Stadt fördert die soziale Inklusion und bietet Möglichkeiten für alle Bevölkerungsgruppen, aktiv am städtischen Leben teilzunehmen. Dies schließt den Zugang zu sozialen Dienstleistungen, die Unterstützung von Minderheiten und die Förderung von Gemeinschaftsaktivitäten ein.
  9. Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein: Nachhaltige Stadtentwicklung, die den Umweltschutz berücksichtigt, ist ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität. Städte, die sich um die Reduzierung von Abgasen und CO2-Emissionen, den Schutz natürlicher Ressourcen und die Förderung von Recycling und erneuerbaren Energien bemühen, bieten eine gesündere und zukunftssichere Umgebung.
  10. Wirtschaftliche Stabilität: Eine stabile Wirtschaft mit vielfältigen Branchen und einem breiten Angebot an Arbeitsplätzen ist entscheidend für die Lebensqualität. Dies bietet den Bewohnern finanzielle Sicherheit und Perspektiven.
  11. Gutes Governance und Bürgerbeteiligung: Eine Stadt mit transparenter und effizienter Verwaltung, die ihre Bürger einbezieht und deren Bedürfnisse berücksichtigt, trägt maßgeblich zur Lebensqualität bei. Die Möglichkeit, an Entscheidungsprozessen teilzuhaben, stärkt das Vertrauen in die Regierung und fördert das Engagement der Einwohner.
  12. Angemessene Steuern und Abgaben: Steuern und Abgaben beeinflussen die Erschwinglichkeit des Lebens in einer Stadt und damit direkt ihre Lebensqualität. Hohe Steuern erhöhen die Lebenshaltungskosten und den Zugang zu Dienstleistungen und Wohnraum. Andererseits können gut investierte Steuereinnahmen zu besserer öffentlicher Infrastruktur, Bildung, Nahverkehr, Gesundheitsversorgung und sozialen Dienstleistungen führen, was die Lebensqualität verbessert. Das Steuersystem muss also eine Balance zwischen Belastung und Nutzen finden, um zur Lebensqualität beizutragen.

Fazit

Bei mehr als der Hälfte der zwölf Kriterien können auch kleinere Städte mithalten.
Allerdings tendieren größere Städte und Metropolen dazu, bei Punkt 4 (Zugang zu Gesundheitsdiensten), Punkt Nr. 5 (Bildungs- und Berufsmöglichkeiten), Punkt Nr. 6 (Öffentlicher Nahverkehr und Infrastruktur), Punkt Nr. 7 (Kulturelles Angebot und Freizeitmöglichkeiten) und Punkt Nr. 10 (Wirtschaftliche Stabilität) klar im Vorteil zu sein.
Bei dem eingangs genannten Briefing auf der EXPO REAL 2023 führte Hideki Kurata, Head of Real Estate France und Head of Living Strategy von Schroders Capital u.a. aus:

  • Zur Schaffung von Lebensqualität muss die Politik die Innenstadtbezirke pflegen und modernisieren und für die öffentliche Sicherheit einstehen. Sie muss auch Verkehrsinfrastrukturprojekte realisieren, damit die Menschen leicht von ihrem Wohnort zur Arbeitsstelle und zurück pendeln können.
  • Die Stadtplaner müssen die Schaffung neuer gemischter Gebiete (mixed-use neighbourhoods) anstoßen, die erschwinglichen Wohnraum, Immobilien für den stationären Handel und Büros für kleine und mittlere Unternehmen und Start-Ups bieten.
  • Jeder Investor, der eine Immobilien sein Eigen nennt und managt, hat die Aufgabe, sie zukunftstauglich zu repositionieren und aufzuwerten.
  • Nach Kurata gehört die Verbesserung des Portfolios und die Herstellung seiner ESG-Gemäßheit zu den Aufgaben von Schroders Capital.

Quellen

Porträt Dr. Mark Odenbach

Autor: Dr Mark Odenbach

Dr. Mark Odenbach ist ein wirtschaftsrechtlicher Strukturierer, Vertragsgestalter und Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung. Er arbeitet mehrsprachig.

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 Aktualisiert am 5. September 2024

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