Lesezeit: 6 Min. | Aktualisiert am 15. November 2025

Was deutsche Mittelständler strategisch, operativ, rechtlich und steuerlich beachten sollten

Mittelständler, die eine Produktionsverlagerung nach China erwägen, sollten sich frühzeitig mit den entscheidungserheblichen Fragestellungen auseinandersetzen. Dieser Beitrag benennt die wesentlichen Aspekte.

Der Autor dankt Frau Lin Fang, Drees & Sommer, Frankfurt, für ihre unschätzbare Unterstützung und ihre Anmerkungen zu diesem Artikel. Frau Fang verfügt über umfangreiche Erfahrungen in Bezug auf grenzüberschreitenden Investitionen zwischen China und Europa.

Viele deutsche Mittelständler – insbesondere jene, die als „Hidden Champions“ weltweit führend in ihrer Nische tätig sind – beschäftigen sich derzeit mit der Frage, ob sich eine Produktionsverlagerung nach China für sie lohnen würde. 

In den meisten Fällen sind die Erwägungsgründe doppelter Natur: 

  • Zum einen geht es um Kostensenkung in Zeiten steigender Energie- und Lohnkosten in Deutschland und Europa. 
  • Zum anderen lockt der direkte Zugang zu den chinesischen und asiatischen Märkten, die in vielen Branchen ein enormes Wachstumspotenzial bieten.

Doch der Schritt zur Produktion in China ist komplex. Wer in China produzieren möchte, sollte nicht nur auf niedrige Kosten oder Marktnähe schauen. 

Strategische, operative, rechtliche und steuerliche Überlegungen müssen mit positiver Wirkung ineinandergreifen, will man als Unternehmen in China langfristig erfolgreich sein.

Einschub: Der Autor nennt die synergetische Verzahnung von Geschäftslogik mit rechtlicher und steuerlicher Strukturierung das Pentagon-Prinzip (oder Fünfeck-Prinzip). Er hat dieses Prinzip hier aus Sicht eines Wirtschaftsanwalts skizziert, siehe Punkt 8 „Das Fünfeck der Denkebenen“.  Darüber hinaus hat er es hier für die Vertragsgestaltung näher ausgearbeitet (siehe „Analyse der Deal-Situation erstellen“). Die dort genannten Grundsätze der fünf Denkebenen gelten für das Unternehmensdesign gleichermaßen. 

1. Die strategische Perspektive: Mehr als nur niedrigere Kosten

Ein Engagement in China sollte niemals allein mit Blick auf die Lohnkosten entschieden werden. Planvoll arbeitende Unternehmen beginnen mit einer strategischen Machbarkeitsanalyse, die wirtschaftliche, (geo)politische und (geo)ökonomische Faktoren gemeinsam bewertet.

Wie groß sind die realistischen Kostenvorteile? Dazu gehören nicht nur Produktionskosten, sondern auch die Kosten für Logistik, Energie, Qualitätsmanagement und die Verwaltung vor Ort. Versteckte Kosten oder Verluste – etwa durch geringere Produktivität, Qualitätsprobleme oder aufwendige Kontrolle – können die vermeintlichen Vorteile erheblich relativieren.

Wie attraktiv ist der chinesische Markt für das eigene Produkt? Chinesische Experten betonen: China ist kein homogener Markt, sondern ein Land unterschiedlicher Regionen, Branchencluster und Konsummuster. Ein Testverkauf deutscher Produkte – etwa über lokale Vertriebspartner oder Online-Plattformen – kann nach Meinung chinesischer Experten helfen, die tatsächliche Nachfrage zu prüfen, bevor man in lokale Fertigung investiert. 

Darüber hinaus muss evaluiert werden, ob das Label „Made in Germany“ für die chinesischen und sonstigen Kunden essenziell ist. Ggf. könnte die Produktionsverlagerung nach China kontraproduktiv wirken.

Welche geopolitischen Rahmenbedingungen sind zu erwarten? Handelskonflikte, Sanktionen, Exportkontrollen und wachsende Systemkonkurrenz zwischen China, den USA und Europa beeinflussen die strategische Planbarkeit. 

Zugleich entstehen Chancen: China investiert weiter massiv in Infrastruktur, Technologie und Energieeffizienz und öffnet sich jenseits einer Negativliste für ausländische Investoren. Unternehmen mit klarer Positionierung, lokaler Wertschöpfung und resilienten Lieferketten können davon profitieren – sofern sie geopolitische Abhängigkeiten aktiv steuern.

Auf dieser Basis lässt sich entscheiden, ob China primär ein Produktionsstandort, ein neuer Absatzmarkt bzw. Kernbestandteil einer Asienstrategie sein soll.

2. Die operative Planung: Vom Partner bis zum Standort

Hat sich das Unternehmen strategisch entschieden, muss nach Meinung chinesischer Experten die operative Analyse folgen. Bei dieser Analyse steht im Mittelpunkt, wie die Präsenz in China auszugestalten ist. 

Im Wesentlichen gibt es drei Modelle:

Auftragsfertigung (Contract Manufacturing): Ein chinesischer Hersteller produziert nach den Vorgaben des deutschen Unternehmens. Das spart aus deutscher Sicht Kapital und ist schnell umsetzbar, bedeutet aber weniger Kontrolle und höhere Risiken beim Schutz von Know-How und sonstigem geistigem Eigentum sowie bei der Qualitätssicherung.

Joint Venture (JV): Ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem chinesischen Unternehmen kann sinnvoll sein, wenn der chinesische Partner komplementäre Stärken bietet, z.B. Zugang zu Zulieferern und geeignetem Personal hat bzw. über Marktkenntnisse oder über Genehmigungen verfügt. Allerdings erfordert ein JV eine sorgfältige Vertragsgestaltung und klare Governance-Strukturen, um spätere Interessenkonflikte angemessen lösen zu können.

Wholly Foreign-Owned Enterprise (WFOE): Die hundertprozentige Tochtergesellschaft bietet die größte Kontrolle über Produktion, Qualität, Know-How und geistiges Eigentum – ist aber auch die kapital- und personalintensivste Variante. In vielen Fällen kann diese Variante nur mit Aufnahme von neuem Kapital, etwa über einen Private-Equity-Investor, realisiert werden.

Auch die Standortwahl ist entscheidend. Nach chinesischen Quellen unterscheiden sich die Kosten und Rahmenbedingungen stark zwischen den Regionen. Küstenprovinzen wie Guangdong oder Jiangsu bieten moderne Infrastruktur und erfahrene Arbeitskräfte, während das Binnenland niedrigere Kosten – aber oft weniger professionelles Personal und Erfahrung – aufweist.

3. Rechtliche Aspekte: Ohne lokale Expertise geht es nicht

Was das Rechtliche betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Urteile deutscher Gerichte in China grundsätzlich nicht vollstreckbar sind. Deswegen müssen alle grenzüberschreitenden Verträge, was die Streitbeilegung betrifft, die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vorsehen. Das ausgewählte Schiedsgericht sollte außerdem bei chinesischen Gerichten, über die etwaige Schiedssprüche zu vollstrecken wären, über ausreichendes Renommee verfügen.

Als Chinas neues Investitionsgesetz für ausländische Unternehmen (Foreign Investment Law, kurz: FIL) im Januar 2020 in Kraft trat, galt es als eine der wichtigsten Reformen des Landes seit Jahrzehnten. Das Gesetz ersetzte ein kompliziertes Geflecht bisheriger Gesetze (bestehend aus Joint-Venture-Regelungen und einem Gesetz über hundertprozentige Tochtergesellschaften ausländischer Anteilseigner) durch ein einheitliches System, das Marktzugang und Investitionsschutz für ausländische Unternehmen klarer regeln soll – zumindest auf dem Papier.

Nach Meinung mehrerer internationaler Anwaltskanzleien verfolgt Peking mit dem FIL das Ziel, China als offenes und regelbasiertes Investitionsziel zu positionieren. Für deutsche Hersteller, die über eine Produktionsverlagerung oder Marktexpansion nachdenken, bleibt der Schritt dennoch anspruchsvoll: Die Tür steht weit offen, aber der Eintritt erfolgt nicht ohne chinesische Auflagen.

Kernstück des neuen Rechtsrahmens ist das Prinzip der „Negativliste“. Ausländische Investoren dürfen wie chinesische Unternehmen in alle Sektoren investieren, die nicht ausdrücklich als eingeschränkt oder verboten gekennzeichnet sind. „Das ist ein bedeutender Schritt hin zu einem transparenten und einheitlichen Investitionssystem“, betont etwa Norton Rose, und verweist darauf, dass viele Genehmigungspflichten durch einfache Registrierungen ersetzt wurden, sofern die jeweilige Branche nicht auf der Negativliste steht.

Jones Day hebt hervor, dass die bisherigen Sonderregimes für Joint Ventures und hundertprozentige Tochtergesellschaften ausländischer Anteilseigner abgeschafft und durch einheitliche Regeln ersetzt wurden. Ziel sei es, ausländischen Unternehmen grundsätzlich die gleichen Rechte wie inländischen Firmen zu gewähren – gleichzeitig aber die behördliche Kontrolle nach der Investition zu stärken.

Die chinesische Öffnung erfolgt nicht wahllos. Laut EY setzt die chinesische Regierung gezielt auf Investitionen in hochwertige Fertigung, Spitzentechnologien und grüne Industrien. Diese Bereiche gelten als Schlüsselfaktoren für Chinas nächste Entwicklungsphase.

Ausländische Unternehmen, die in Robotik, intelligente Produktionssysteme, neue Materialien oder industrielle Digitalisierung investieren, können von steuerlichen Vorteilen und vereinfachten Verfahren profitieren. „Fertigung, Technologie und Dienstleistungen verschiedenster Art gehören zu den aktiv geförderten Branchen“, schreibt EY in seiner Analyse zum FIL.

Das fügt sich nahtlos in Chinas Industriepolitik: ausländisches Know-How soll helfen, die eigene Wertschöpfung zu modernisieren und technologische Abhängigkeiten zu reduzieren – allerdings stets zu chinesischen Bedingungen.

Ein zentrales Versprechen des FIL ist der verbesserte Rechtsschutz für ausländische Investoren. Das Gesetz untersagt erzwungene Technologietransfers, garantiert faire Entschädigung im Fall von Enteignung und stärkt den Schutz geistigen Eigentums sowie von Geschäftsgeheimnissen. Diese Regelungen sollen bei ausländische Unternehmen Bedenken zerstreuen und Vertrauen in die Rechtssicherheit des Standorts schaffen.

Doch die Praxis bleibt nach Ansicht von chinesischen und ausländischen Marktteilnehmern unterschiedlich: Die Umsetzung hängt stark von der jeweiligen Region und den lokalen Behörden ab – die Rechtswirklichkeit bleibt heterogen.

Mit dem neuen Gesetz wird der Marktzugang formal erleichtert, die nachgelagerte Aufsicht aber verstärkt. Behörden erhalten erweiterte Befugnisse zur Überwachung und können Investitionen stoppen, wenn sie als sicherheitsrelevant eingestuft werden. Das betrifft insbesondere Sektoren wie Halbleiter, Telekommunikation oder datengetriebene Fertigung.

Jones Day spricht von einer „feinen, aber bedeutenden Verschiebung“: China wolle Investitionen erleichtern – aber nicht die Kontrolle verlieren.

Für deutsche Industrieunternehmen – vor allem die „Hidden Champions“ – eröffnet das FIL neue Chancen, bringt aber auch neue Herausforderungen. Branchen, die zu Chinas industrieller Modernisierung beitragen, sind politisch gewünscht und werden gefördert. Damit steigt die Attraktivität, direkt vor Ort zu produzieren oder technologische Partnerschaften einzugehen.

Gleichzeitig dürfen rechtliche und steuerliche Fallstricke nicht übersehen werden. Eine Produktionsverlagerung kann aus deutscher Sicht eine Funktionsverlagerung im Sinne des Außensteuergesetzes darstellen. Dazu sogleich unter Gliederungspunkt 4. 

Rechtliches Fazit: Das Foreign Investment Law ist ein echter Liberalisierungsschritt – klarer, transparenter und investorenfreundlicher als frühere Regelungen. Gleichzeitig behält Peking die Fäden in der Hand.

China will ausländische Investitionen – insbesondere in zukunftsorientierte Fertigung – aber nur so weit, wie sie den eigenen Modernisierungspfad unterstützen.

Für deutsche Unternehmen gilt daher: Wer in China investieren will, braucht einen technologischen Vorsprung gegenüber chinesischen Wettbewerbern, strategisches Geschick, lokales Rechtsverständnis und präzise Vorbereitung. 

4. Steuerliche Strukturierung: Von der Holding bis zur Funktionsverlagerung

Neben Strategie, operativer Planung und rechtlicher Struktur ist die steuerliche Planung ein zentraler Erfolgsfaktor. Viele Unternehmen wählen dabei eine Zwischenholding in Hongkong oder Singapur, um Gewinne effizient zu repatriieren und die Steuerstruktur zu optimieren.

China erhebt Körperschaftsteuer in Höhe von 25 %, bietet aber in bestimmten Regionen und Branchen Steuervergünstigungen. Anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen können genutzt werden, um Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Ein häufig unterschätzter Aspekt ist die sogenannte Funktionsverlagerung gemäß deutschem Außensteuergesetz (AStG). In § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG wird eine Funktionsverlagerung definiert als „Verlagerung einer Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile“. Wenn eine Funktionsverlagerung im Sinne des Gesetzes vorliegt, muss das Unternehmen in Deutschland so behandelt werden, als hätte es die betreffende Funktion zu einem hypothetischen Fremdvergleichspreis veräußert. Eine mögliche Folge wären erhebliche deutsche Steuerbelastungen bei Verlagerung, selbst wenn noch keine Gewinne im Ausland realisiert werden.

5. Compliance, Produkthaftung, ESG und Risikomanagement

Neben Wirtschaftlichkeit zählen in der heutigen Zeit auch Nachhaltigkeit und Governance. Deutsche Unternehmen, die Waren importieren, müssen sicherstellen, dass ihre chinesischen Lieferketten mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und den geltenden EU-Vorgaben zu Menschenrechten und Umweltstandards vereinbar sind.

Ein Importeur in die EU haftet für Produktfehler kraft Gesetzes (Produkthaftung).

Ein systematisches Risikomanagement, das rechtliche, politische und operative Risiken laufend bewertet und ggf. abmildert, ist daher unerlässlich – idealerweise integriert in das gesamte Compliance-System des Unternehmens.

6. Gesamtfazit: Strukturierte Planung statt Schnellschuss

Der Schritt in Richtung China bietet deutschen Herstellern von Qualitätsprodukten große Chancen – sowohl für Kostenvorteile als auch für Wachstum. Doch die Komplexität darf nicht unterschätzt werden.

Ein erfolgreicher Markteintritt oder Produktionsaufbau folgt immer einer klaren Struktur:

  1. Strategiefestlegung, insbesondere Definition des technologischen Vorsprungs
  2. Operative Planung: Test des chinesischen Marktes mit bestehenden Produkten
  3. Auswahl des passenden Set-Ups für die Produktion in China (Auftragsfertigung, JV, WFOE),
  4. Rechtliche und steuerliche Strukturierung unter Einbeziehung der Regelungen zur Funktionsverlagerung,
  5. Implementierung und laufende Kontrolle und ggf. Nachadjustierung.

Die Entscheidungen zu den Punkten 1 bis 4 müssen gemäß dem eingangs genannten Pentagon-Prinzip synergetisch miteinander verwoben werden.

Wer diesen Weg strukturiert und mit professioneller Unterstützung geht, kann China langfristig nicht nur als Produktionsstandort, sondern auch als strategisch vorteilhaftes Sprungbrett in den vielversprechenden asiatischen Markt nutzen.



Porträt Dr. Mark Odenbach

Autor: Dr Mark Odenbach

Dr. Mark Odenbach ist ein wirtschaftsrechtlicher Strukturierer, Vertragsgestalter und Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung. Er arbeitet mehrsprachig.

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 Aktualisiert am 15. November 2025

Über Situation Law

Situation Law ist ein Blog über Deal-Situationen und über die in solchen Situationen zielführende Denk- und Arbeitsweise. Zu den Schwerpunkten des Blogs gehören die Strukturierung, Gestaltung und Verhandlung von situationsgerechten Wirtschaftsverträgen.